Eine Frage, die wir uns für die Nach-Pandemiezeit dringend stellen müssen.
Ich habe für mich und mein Unternehmen analysiert, wo wir stehen und wohin wir uns entwickeln können. Der folgende Text bringt keine Lösungen, er ist als Gedankenanreiz angelegt. Was definitiv geschehen wird, ist die Einstellung zweier Auszubildenden, damit der Fluss von Nachwuchs nicht unterbrochen wird. Weiterhin stelle ich zwei Fachkräfte ein, damit ich für die Nach-Pandemie Zeit personell gut aufgestellt bin.
Ausgangsbasis
Der Umsatz im März 2021 war bei uns rund 50 Prozent höher als im März 2019. Dann kam die Testpflicht, daraufhin haben wir im April 22 Prozent verloren. Im Mai (Stand 14.5.2021) sieht es ähnlich aus, da sind es hochgerechnet knapp unter 23 Prozent weniger Umsatz.
Im Zeitraum 1.3. bis 14.5.2021 haben wir dennoch 0,83 Prozent mehr Umsatz erwirtschaftet, als im vergleichbaren Zeitraum 2019. Ich erwarte aber eine deutliche Verschlechterung im Jahresverlauf, abhängig davon, ob und wie lange die Testpflicht noch weiter bestehen bleibt. Positiv auswirken wird sich jedoch die Öffnung von Gastronomie und Läden. Damit kommen wieder mehr Menschen in die Stadt, was auch den Zulauf zu unserer Dienstleistung erhöhen wird.
Schnelltest-Pflicht
Sollte die Testpflicht bei niedriger Inzidenz wider Erwarten noch bestehen bleiben, haben die Kunden aufgrund negativer Testergebnisse in der Stadt wenigstens mehr Möglichkeiten sich zu treffen, einen Kaffee zu nehmen oder essen zu gehen. Dann ist der Schnelltest gefühlt mehr wert.
Zahlenspiele
Ich weiß, Zahlenspiele sind dröge, aber notwendig. Mir bringen sie Klarheit und Überblick über die aktuelle Situation. Planung hat derzeit keinen langen Bestand. Wir fahren planerisch immer noch auf Sicht, sozusagen im Schaum, und das wird sich auch wohl erst gegen Ende des Jahres ändern. Und das auch nur dann, wenn die Impfkampagne weitgehend störungsfrei durchläuft und 60-70 Prozent der Bundesbürger zweimal geimpft sind. Und selbstverständlich auch davon, wie lange der Impfschutz hält. Hier liegt noch ein großes Unsicherheitspotential.
Politischer Druck
Wir haben es dazu noch mit verändertem Konsumverhalten zu tun, mit einer höheren Inflation, wir werden höhere Steuern bekommen und die Sozialversicherungsbeiträge müssen auch steigen, um die hohen Kosten auszugleichen. Das ist leider unausweichlich, auch wenn die Politik das momentan noch weit von sich schiebt. Mit den durch die Pandemie bedingten Steuerverlusten und wirtschaftlichen, sowie sozialen Unterstützungsmaßnahmen ist der Schuldenberg massiv gewachsen.
Und mit der Aussicht auf ein lediglich verhaltenes Wachstum von rund 3 bis 4 Prozent für 2022 ist die Staatskasse klamm. Dazuhin waren viele Städte und die Länder zum Teil schon vor der Pandemie finanziell am Limit und der Zustand hat sich noch verschärft. Es wird auch hier mehr Geld vom Staat fließen müssen, und dieses Geld muss aus Steuern finanziert werden.
Erhöhungen bei Steuern und Sozialabgaben
Sparen ist nicht Sache der Politik, also können wir davon ausgehen, dass die Löcher durch Steuererhöhungen gestopft werden müssen. Rot und Grün wollen die Schuldenbremse weiter aufweichen, was zu noch höherer Verschuldung führen wird. An eine Rückkehr zur schwarzen Null glaube ich nicht, auch wird der EU-Stabilitätspakt demnächst obsolet sein.
Die EU-Ländern müssen jetzt abrechnen, man wird sehen, welche tiefen Schlunde sich hier noch auftun. Übermäßiges Verschuldungsverhalten bringt am Ende eine inflationäre Entwicklung, und diese Entwicklung sollten wir uns von der Politik nicht schönreden lassen. Es wird so kommen, auch wenn das niemand will. Und wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie weit wir unsere Kunden mit höheren Preisen belasten müssen und wie wir die Löhne unserer Mitarbeiter anpassen.
Maßnahmen gegen eine hohe Inflation
Was können wir als Unternehmer gegen eine höhere Inflation tun? Das ist die Gretchenfrage schlechthin. Dass es so kommt, dagegen können wir nichts tun. Wie wir damit umgehen schon. Im ersten Schritt sagen wir, unsere Preise müssen nach oben. Das stimmt, die müssen wir an die gestiegenen Kosten anpassen. Wir müssen auch mehr Rücklagen für Steuerzahlungen einplanen, beziehungsweise werden wir mit dem Steuermanagement mehr zu tun haben.
Um zu diesem Zweck die Preise erhöhen zu können, müssen wir einen höheren Nutzen bieten. Denn nicht nur wir Unternehmer müssen mit Inflation, höheren Steuern und Sozialabgaben zurecht kommen, sondern auch die Verbraucher, zu denen wir auch selber gehören. Strategisch gesehen müssen wir unsere Leistungen stärker anspitzen, und nicht alle möglichen Dienstleistungen anbieten, die uns in den Sinn kommen.
Je mehr Dienstleistungen wir anbieten und je kleiner unser Team ist, desto schwieriger ist es, auf vielen Feldern eine überdurchschnittliche Leistung zu erbringen. Aber genau die brauchen wir, damit Kunden unsere zukünftig höheren Preise akzeptieren. Zur Selektion durch Corona kommt noch die Selektion der Unternehmen durch die Verbraucher hinzu.
Ausbildung trotz engem Finanzrahmen
Obwohl die Geschäfte verhaltener sind stellen wir 2021 Auszubildende ein. Zwar erhöhen sich dadurch die Kosten und der Gewinn wird noch stärker reduziert, aber es steht immer die Frage im Raum: Woher sollen die Fachkräfte kommen, die ich zukünftig brauche, um mein Geschäft zukünftig dauerhaft obern zu halten?
Ausbildung ist eine Strategiefrage. Ohne Ausbildung geht es nicht. Schaut euch die Ausbildungszahlen an, dann seht ihr, dass die sukzessive Jahr für Jahr nach unten gehen. Die Zahlen sind alarmierend. Von 2009 bis 2020 haben sich die Ausbildungswilligen im Friseurhandwerk um 53 Prozent reduziert.
In Zahlen: 2009 waren es noch 38.661 Azubis, 2020 nur noch 17.844. Wer bei diesen Zahlen noch darauf hofft, in ein paar Jahren noch hoch qualifizierte Fachkräfte auf dem freien Markt zu finden wird enttäuscht werden. Das merke ich derzeit bei der Mitarbeitersuche. Diese hoch Qualifizierten werden nicht in irgendeinen Salon gehen, sondern nur noch dorthin, wo sie Entwicklungschancen haben. Da bleibt für den Durchschnittsfriseur nichts übrig.
Passende Fachkräfte
Passende Fachkräfte stellen wir ein wenn wir sie finden. Wir suchen immer. Passend bezieht sich auf die soziale Kompetenz. Die fachliche Qualität kann ich erhöhen, aber die soziale Kompetenz muss der Mensch mitbringen.
Deshalb sehe ich Mitarbeiter auch nicht als blossen Kostenfaktor, sondern als Investition in unsere unternehmerische Zukunft. Unsere Stärke ist der Teamspirit, eine weitere strategische Größe, die nicht betriebswirtschaftlich zu begründen ist.
Alle nicht betriebswirtschaftlichen Effekte werden bei uns in der Spannungsbilanz abgelegt und bewertet. Mittlerweile haben sogar die Banken erkannt, dass die weichen Faktoren für ein Unternehmen mindestens so wichtig sind wie die harten Zahlen.
Und warum? Weil die harten Zahlen ohne die weichen Faktoren gar nicht erst erwirtschaftet werden können, speziell im Friseurhandwerk. De facto ist es also eine strategische Notwendigkeit, die passenden Mitarbeiter zu suchen und nicht irgendwelche.
Jedes Unternehmen ist in einer Individuellen wirtschaftlichen Situation. Jedoch unterliegen wir alle der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Und die wird sehr spannend werden.