Warum wir für Beratung Geld verlangen - Peter Gress

Warum wir für Beratung Geld verlangen

Heute geht es um die Frage, warum Handwerker ihre Beratung bezahlt bekommen müssen. Wir leben nicht vom reden, sondern von der handwerklichen Dienstleistung, die wir verkaufen. Beratung gehört selbstverständlich zu jeder Dienstleistung. Nicht selbstverständlich ist allerdings, dass wir unsere Zeit verschenken. Leider haben Kunden – und Kunden sind wir ja selbst auch – dafür nicht viel Verständnis, denn die allgemeine Erwartungshaltung ist es, umfassende Information zum Nulltarif zu erhalten. Was früher beim Autokauf die kostenlose Fußmatte war, ist heute der selbstverständliche Verbrauch von Handwerker- und Dienstleisterzeit.

Zeit ist unser wertvollster Rohstoff. Ich überziehe meine Aussage dahingehend, dass es im Grunde genommen egal ist, was wir in der uns zur Verfügung stehenden Zeit verkaufen. Hauptsache ist es, dass wir die investierte Zeit an der Kasse oder auf dem Konto realisiert bekommen. Wie das Wort schon sagt: wir investieren Zeit und bekommen einen Gegenwert dafür.

Ein interessantes wissenschaftlicher Buch über die Betrachtung der Zeit.

Das telefonische Termingespräch

Ich beschreibe mal ein ganz normales Terminbuchungsgespräch im Friseursalon am Telefon. Eine Kundin ruft an und bittet um einen Termin für eine Haarfarbe. Der Begriff „Haarfarbe“ beinhaltet einen hohen Unsicherheitsfaktor. Wir fragen also nach, ob es sich um ein Glossing, eine Haarfarbe oder eine Tönung, um Strähnen oder eine Aufhellung, bzw. Blondierung handelt. Für ein Glossing buchen wir 30 Minuten, für eine Haarfarbe oder Tönung 60 Minuten, für Strähnen 120 Minuten und für eine Aufhellung und Blondieren sind locker mal drei bis vier Stunden drin, oft sogar noch mehr, je nach Ausgangslage und Zustand der Haare. Diese Unterschiede müssen wir klären, weil wir sonst weder die richtige Zeit hinterlegen, noch das entsprechende Entgelt erhalten.

Haarfarbe ist Sammelbegriff

Für unsere Kunden ist Haarfarbe ein Sammelbegriff. Sie verstehen darunter alle möglichen Farbdienstleistungen. Es ist verständlich, dass sie nicht wissen, dass jeder Farbdienstleistung ein Zeitraster hinterlegt ist. Deshalb müssen wir mit ihr schon am Telefon ein klärendes Gespräch darüber führen. Der Zeitbedarf von Glossings, Haarfarben, Tönungen und Strähnen lässt sich zeitlich recht gut kalkulieren. Wir kennen die Dauer des chemischen Prozesses und die Schnelligkeit unserer Mitarbeiter, dementsprechend kalkulieren wir den Termin zeitlich. Wenn wir für einen Kundin einen Strähnentermin buchen und die Kundin bekommt anstatt dessen eine Tönung, hat die Friseurin einen Terminausfall von 60 Minuten. Da lohnt sich die exakte Nachfrage.

Meist lässt sich so ein ausgefallener Termin dann auf die Schnelle nicht mehr verkaufen. Anders herum sieht das Problem so aus, dass vielleicht eine Tönung mit einer Stunde gebucht wurde, aber die Kundin gerne Strähnen hätte. Für eine qualitativ hochwertige Dienstleistung reicht dann die Zeit nicht. Entweder werden die Strähnen in qualitativ minderer Qualität durchgeführt oder es bleiben zwei Termine frei, nämlich die 120 Minuten für Strähnen, weil die Kunden keine Tönung will und die Friseurin keine Zeit für Strähnen hat. Ein neuer Termin wird vereinbart und 120 Minuten Arbeitszeit sind damit perdü.

Blondierung

Bei einer Aufhellung oder Blondierung wird es noch schwieriger. Hier hängt die Zeitdauer von mehreren schwer kalkulierbaren Fakten ab. Wie dunkel sind die Haare gefärbt? Wie lang sind die Haare? In welchen Gesundheitszustand sind die Haare? Waren sie schon einmal aufgehellt und wurde dunkle Farbe drüber gefärbt? Welche Art Haarfarbe war drauf? Reagiert die Haut auf das Farbprodukt? Alles das wissen wir nicht wenn wir den Termin am Telefon buchen.

Verantwortung

Es gibt Haarfarben, die lassen sich nur schwer bis gar nicht heller färben. Das liegt nicht am Können der Haarfärber, sondern an den Bestandteilen der Haarfarbe. Und es gibt Häute, die auf bestimmte Stoffe allergisch reagieren. Stellen Sie sich einmal vor, Sie beginnen eine Blondierung ohne einen Hauttest. Nach einer Stunde Einwirkest stellen Sie fest, dass die Haut juckt und sich rötet. Was passiert dann? Das Farbprodukt muss natürlich abgewaschen werden. Derweil sind die Haare noch lange nicht auf dem Helligkeitslevel, das die Kundin gerne haben möchte. Reklamation! Im schlimmsten Fall Anwalt und Entschädigung. Der Friseur hat seine Zeit investiert, die Kundin ist extrem unzufrieden und der Salon wird sie definitiv als Kundin verlieren. Und warum? Weil wir uns nicht getraut oder es einfach nicht für notwendig erachtet haben, einen bezahlten Beratungstermin zu vereinbaren, an dem wir eine Teststrähne, einen Hauttest und ein umfassendes Beratungsgespräch durchführen.

Beratungstermin

Ein Beratungstermin dauert 30 Minuten und kostet 30 Euro. Wir sichern uns damit ja nicht nur selber ab, sondern haben den optimalen Nutzen für die Kundin im Fokus. Wir müssen uns doch sicher sein, dass wir das besprochene Ergebnis auch erreichen können. Wenn ihr Architekt sagt, dass eine bestimmte Bauweise aus statischen Gründen nicht möglich ist, wird er das Haus als verantwortliche Fachkraft so nicht bauen. Wenn wir die Aufgabe nicht kennen, können wir sie nicht kalkulieren. Es ist auch für die Kundin besser, 30 Euro zu investieren und zu erfahren, dass die Haare den Färbeprozess eventuell nicht gesund überstehen, als das erst während der Arbeit festzustellen. Das bringt beiden Seiten nichts außer Ärger und Frustration.

Bei uns im Betrieb ist das klar geregelt. Wenn die Kundin diese Beratung nicht buchen will, können wir die Dienstleistung nicht durchführen, ihr also keinen Termin geben. Wir lassen sie ziehen. Besser sie kommt nicht, als dass wir eine unbefriedigendes Ergebnis abliefern. Eine Fachkraft investiert ihr wertvolles Wissen und ihre wertvolle Zeit, die sie als Selbstständige selber oder ich als Unternehmer bezahlen muss. Wenn die Kosten der geleisteten Zeit nicht verrechnet werden, stimmt meine Kalkulation nicht mehr. Ich verbrauche mehr Zeit, als ich durch den Verkauf der Dienstleistung einnehmen kann.

Win-Win Situation

Wie gesagt, als Handwerker haben wir nur die Zeit, die wir verkaufen können. Am Ende steht im besten Fall ein qualitativ hervorragendes Ergebnis, das der Kundin gefallen und uns einen Gewinn einbringen muss. Dann haben wir eine Win-Win Situation, mit der beide Seiten zufrieden sind. Diesem Ziel musss ich alles andere unterordnen.

In vielen Fällen sagen mir Kolleginnen und Kollegen, die Beratungszeit sei in die Dienstleistungspreise einkalkuliert. Sehe ich mir aber die durchschnittlichen Haarfärbepreise in Deutschland an, ist da gar nichts einkalkuliert. Die durchschnittlichen Farbpreise selbst werfen so gut wie keinen Gewinn ab, wie also soll sich die Beratungszeit finanzieren?

Zeit ist ein wertvolles Gut, denn sie ist endlich. Ich muss mir also sehr genau überlegen, wie ich mit diesem wertvollen Rohstoff umgehe. Es gibt Menschen, die den Wert von Zeit nicht schätzen und nichts dafür bezahlen wollen. Das ist das Problem der Kundin, nicht meines! Als kreativer Handwerker habe ich zwei klare Ziele:

  • 1. Kunden einen hohen Nutzen zu bieten durch eine qualitativ exzellente Dienstleistung
  • 2. anständige Löhne für meine Mitarbeiter und für mich als Unternehmer zu erwirtschaften

Aus einer anständigen Entlohnung resultiert auch die Motivation, einen super Job zu machen.

Wert der Beratung

Beratung hat in den Köpfen der Verbraucher keinen großen Wert. Kostenlose Beratung wird voraus gesetzt, egal wie lange das Gespräch dauert. Wenn ein Haarschnitt 180 Euro kostet und die Strähnen 350 Euro, dann brauche ich mir keine großen Gedanken um die Kosten der Beratung machen. Diese Preise können wir aber nicht verlangen, deshalb müssen wir mit unserer Zeit haushalten. Wie gesagt, sie ist das wertvollste, was wir zu verkaufen haben, also kann ich sie nicht verschenken.

Beratungsdiebstahl

Vor kurzem sagte mir ein Geschäftspartner aus einem anderen Wirtschaftsbereich, dass viele Kunden in den Läden Beratungsdiebstahl begehen. Sie stehlen dem Händler die Zeit und kaufen mit seinen Profi-Information im Internet. Darauf sind Kunden zu Recht stolz, weil sie mit der Angst der Geschäftsleute spielen, sie könnten einen Kunden verlieren, den sie bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal als Kunden hatten. Alleine aus dieser Angst verlangen sie für Beratungsleistung kein Gel

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