Urbanisierung und die Folgen für das Handwerk - Peter Gress

Urbanisierung und die Folgen für das Handwerk

Ein wichtiger Megatrend den wir als städtisch angesiedelte handwerkliche Dienstleister im Auge behalten müssen, ist die schnell fortschreitende Urbanisierung. In Deutschland liegt der Urbanisierungsgrad derzeit bei rund 78 Prozent der Gesamtbevölkerung, und man kann davon ausgehen, dass sich diese Zahl im Lauf der nächsten Jahrzehnte noch erhöhen wird. Ja mehr Menschen in die Städte ziehen, desto knapper wird der Wohnraum und desto teurer werden die Mieten und die Lebenshaltungskosten. 

Das wird dann zum Problem, wenn wir Mitarbeiter von außerhalb der Stadt bekommen, die in annehmbarer Entfernung zum Arbeitsort wohnen müssen. Im Großraum Stuttgart sind die Mieten mittlerweile extrem in die Höhe gegangen. Ein trauriger Rekord: Stuttgart hat mittlerweile auch München als teuerstes Wohnpflaster abgelöst und ist damit in Deutschland einsamer Spitzenreiter.

Es könnte also in der Folge dieser Entwicklung durchaus sein, dass Handwerksbetriebe in Städten nicht mehr neu gegründet werden können, weil die Mieten oder Kaufpreise zu teuer werden und sich betriebswirtschaftlich nicht mehr lohnen. Für Friseure beispielsweise könnte das bedeuten, dass die Salons immer mehr in die Randlagen gezwungen werden, und sie vom Kundenstrom in den Städten abgeschnitten werden. 

Allerdings wären dort auch die Mieten geringer und Mitarbeiter könnten sich Wohnraum und Leben eher leisten als in den Stadtzentren. Wenn wirtschaftlich sinnvolles urbanes Leben in den Städten möglich sein soll, braucht es vernünftige Verkehrskonzepte mit perfekt aufeinander abgestimmten öffentlichen Verkehrsmitteln und der weitgehenden Verbannung des Individualverkehrs, damit Menschen ihre Arbeitsplätze in annehmbarem Zeitumfang erreichen können.

Autos verbrauchen zu viel teuren Platz, sie stehen die meiste Zeit des Tages unbenutzt auf Stellplätzen, die man von der Gesamtfläche gesehen, besser für weiteren Wohnraum oder bessere Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs verwenden kann.

Immer dichter bebaute Städte stellen Handwerksunternehmen vor viele Probleme. Parkraummanagement für die Fahrzeuge, Lagerräume, Büros, Erreichbarkeit, Dauer der Fahrzeiten zu und von Kunden oder Baustellen (Stauzeiten), die Mieten oder Finanzierungskosten für Betriebsflächen, bau- und umweltrechtliche Beschränkungen, hohe Parkgebühren für Kunden und Schwierigkeiten mit Anwohnern wegen hoher Lärmpegel veranlassen viele Handwerksbetriebe zu einem Standortwechsel, oder gleich zu einer Ansiedlung in den Randbereichen der Städte.

Unser Elektrotechniker ist in Esslingen ansässig. Wenn er einem Termin in Stuttgart wahrnehmen muss. hat er mittlerweile einen E-Roller im Kofferraum, den er bei Stau einsetzt. Er parkt sein Auto außerhalb der Innenstadt und fährt mit dem Roller zum Termin, denn es ist mittlerweile fast die Regel, dass eine 20-Minuten Fahrt nach Stuttgart länger als 45 Minuten dauert. Dabei geht teure Arbeitszeit drauf, die der Handwerker zum Teil auch selber tragen muss, wenn er seine Kunden die Kosten nicht zumuten will. 

Siehe Download: Handwerk lokal Perspektiven für eine handwerksgerechte Stadtentwicklungs-, Verkehrs- und Wirtschaftspolitik in Städten und Gemeinden.

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