Ein Beitrag im Rahmen der Jana Ritzen Blogparade #sagjazudir
Ich bin selbstständiger Friseur in einer GbR mit meiner Schwester Bettina als Geschäftspartnerin. Wir betreiben einen Friseursalon mit 16 Mitarbeitern in Esslingen am Neckar in der Nähe von Stuttgart. Ich bin ein aktiver Mensch und war zuletzt sehr unzufrieden mit dem täglich immer gleichen Ablauf. Zu wenig Dynamik in der Geschäftsentwicklung macht keinen Spaß, dieser Zustand ist jedoch aus den bestehenden Umständen zu erklären.
Der Betrieb hat seine Größe, seine Anzahl von Plätzen, seine Kapazität an Mitarbeitern und seine Öffnungszeiten. Dazu kommt ein Preisgefüge das nicht unendlich nach oben geschoben werden kann. Physikalisch und betriebswirtschaftlich betrachtet kann das Unternehmen nur bis zu einer bestimmten Umsatz- und Gewinngröße wachsen. Bs dahin ist viel Spielraum, ab dann aber geht es nur noch langsam voran. Trotzdem müssen Jahr für Jahr die steigenden Kosten aufgefangen werden.
Preiserhöhungen sind aber immer auch mit einer Leistungssteigerung verbunden was wiederum Investitionen erfordert. Der Verdienst ist mir für die große Verantwortung zu gering. Dazu kommen nach über 40 Jahren stehender Tätigkeit zunehmende körperliche Probleme und eine zu geringe intellektuelle Herausforderung. Als Friseur bin ich auch zu stark ortsgebunden, ich bin sehr immobil und kann aus betriebswirtschaftlichen Gründen zu wenig reisen. Und, ja, ich habe mittlerweile zu wenig Input für tägliche intrinsische Motivation aus meiner Arbeit und meiner Aufgabe heraus. Der Auslöser meiner Veränderung aber war das ständige Ja sagen müssen aus der gefühlten Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern, der Bank, dem Steuerberater und den Geschäftspartnern heraus.
Aus meiner Anlage als kommunikativer Einzelgänger heraus bin ich generell kein Mensch der gerne Ja sagt. Ich nutze meine Energie grundsätzlich lieber für meine eigenen Projekte. Mein wichtigstes Ziel ist die Unabhängigkeit von einem Arbeitsstandort und der Wunsch mehr online und an meinen Seminarideen zu arbeiten, damit ich mehr Menschen mit meinen Konzepten und Projekten erreichen kann. Ein weiteres Ziel ist die freiere Einteilung meiner produktiven Arbeitszeit. Durch den Aufbau des Friseurunternehmens hatte ich viele Aufgaben ganz automatisch an mich gezogen, weil sie erledigt werden mussten. Dass ich das einfach so akzeptiert habe, daran hat niemand Schuld, ich habe es einfach gemacht, weil es notwendig war. Aber irgendwann habe ich festgestellt, dass mich das nicht mehr erfüllt, und dass ich die Situation nicht mehr viele Jahre würde tragen können. An Verpflichtungen und Abläufe gewöhnt man sich und man fühlt mich natürlich auch bestätigt und wichtig. Mein Blickfeld war eng geworden, und ja, es war halt auch bequem. Eine grundsätzliche Änderung musste her, ich musste eine Entscheidung treffen und ich musste raus aus meiner Komfortzone, ungeachtet meines fortgeschrittenen Alters.
In der Situation hatte ich kein Problem mit dem Selbstwertgefühl, aber ich merkte, dass ich zum Depp aller werde wenn ich mich nicht abgrenze. Die Frage war und ist dabei: Wie geht das? Und wie geht das mit all der Verantwortung für Mitarbeiter, Umsatz, Gewinn und Existenzsicherung? Es geht in dem ich grundsätzlich erst einmal Nein gesagt habe zu dem aktuellen Zustand. Stopp! Nein! Lass mich! Keine Lust mehr! – das war der Einstieg. Es folgten Gespräche mit meiner Schwester und den Mitarbeitern zur Neuorganisation, verbunden mit einem teilweisen Rückzug aus dem Tagesgeschäft. Wichtig ist aber, dass das Nein! erst sehr bewusst in einem selber stattfindet und sich erst danach an die Menschen richtet die es direkt betrifft. Tut man das nicht, hat es keinen Bestand, keine Tragfähigkeit und man steht als unzufriedene Motzkugel da.
Ok, nun beginne ich etwas Neues, bin mir aber bewusst, dass das auch wieder mit mehr Ja-sagen zu tun hat. Aber der Change ist eingeleitet, und die Entwicklung wird sicher wieder dorthin führen, wo ich mehr Nein sagen muss. Aber das ist ok, in die Situation des Nein-sagens kommt man ganz automatisch immer wieder wenn man Dinge vorantreibt. Vieles lässt sich zu Beginn nicht delegieren und ggf. muss man für’s Outsourcing auch Menschen für ihre Dienstleistung bezahlen. Aber das ist völlig in Ordnung wenn ich mir dadurch mehr kreativen Freiraum für die Dinge schaffen kann, die mir wichtig sind, zu denen ich uneingeschränkt Ja sagen kann.
Fazit: Nein sagen alleine reicht nicht aus, um etwas zu verändern. Es muss eine Idee, ein Ziel geben, wohin man reisen will. Ziele müssen definiert und strategisch erfasst werden, denn nur Die Große Idee zieht einen Menschen dorthin wie er es für sich definiert hat. Sonst passiert das, was Mark Twain schon sagte:“Als sie ihre Ziele endgültig aus den Augen verloren haben, verdoppelten sie ihre Anstrengungen.“