Wer über 50 Jahre alt ist oder langsam in die Nähe dieser Alterszahl kommt, kennt das Phänomen wahrscheinlich: die Frage nach dem Sinn des Bisherigen und dem Kommenden. Ich wurde mit 50 Großvater was grundsätzlich etwas schönes ist, mir gleichzeitig aber schlagartig klar machte, dass ich im virtuellen Zigarettenautomaten ein Stückchen weiter nach unten gerutscht bin. In nicht allzu langer Zeit – das statistische Durchschnittsalter für Männer in Deutschland zugrunde gelegt in 18,44 Jahren – wird einer meine Schachtel aus dem Schacht ziehen. Diese Zeit bleibt, um etwas sinnvolles mit der Zukunft anzufangen, wobei ich damit nicht sagen möchte, dass ich bisher nichts sinnvolles gemacht habe. Aber Sichtweisen verändern sich und gegen die Frage was denn noch kommt kann ich mich nicht wehren. Damit muss ich mich wie Millionen andere auch auseinandersetzen.
CUT – Chance, Umbruch, Tun
Kommet da noch was? Meine Gedanken zu diesem Thema habe ich sinnigerweise CUT genannt – Chance, Umbruch, Tun. Nicht die Auswahl der Beschäftigung für die Zukunft ist schwierig, sondern die Inhalte. Ich habe eine Idealvorstellung in meinem Kopf, die alle Möglichkeiten durch einen unerbittlichen Filter schickt. Leider beweist die Lebenserfahrung, dass es DIE eine richtige Entscheidung nicht gibt. Wenn wir etwas geändert haben, metamorphieren wir in einem nicht steuerbaren Prozess wieder vor eine Entscheidung. In jungen Jahren lässt man die Dinge einfach mal laufen und hofft auf die entscheidende Eingabe, wie sich das weitere Leben entwickelt. Diese Leichtigkeit geht in späteren Jahren verloren. Das Prinzip bleibt dasselbe, aber die Zeit wird knapper.
Auslaufen lassen
Viele meiner Freunde und Bekannten beschäftigen sich bereits mit ihrem Ruhestand. Prinzip “auslaufen lassen”. Meine Mahnung ist immer gleich: “Pass auf, dass Du selbst nicht ausläufst.” Was willst Du machen? Gärteln? Reisen? Lesen? Handwerken? Schreiben? Enkel beaufsichtigen? Golf spielen? Mal sehen, es wird sich schon was ergeben. Ich habe in den vergangenen Jahren viele erlebt, bei denen sich überhaupt nichts ergeben hat. Zu denen will ich nicht gehören. Klar ist nur, dass das Leben etwas langsamer laufen muss, weil das Alter einen dauerhaft hohe Pace nicht mehr zulässt. Aber die Konzentration auf wesentlicheres schadet ja nicht. Heute mache ich weniger und erreiche mehr, wenn ich mich dem Aktionismus verschliesse.
Rente? Lieber nicht!
Jedes Alter bietet Chancen. In der Impulse o2/2014 wird ein Entrepreneur mit 71 Jahren vorgestellt. Das ist doch äußerst interessant, oder nicht? Menschen sammeln im Laufe der Jahre so viel Expertise, es wäre doch sehr, sehr schade, wenn dieses Wissen nicht dem Wohl der Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden würde. Manche hören mit Mitte 50 auf zu arbeiten und werden Privatier, andere steigen in diesem Alter noch einmal voll aufs Gaspedal. Mein Vater wurde mit Mitte 60 voll aus dem Leben gerissen. Umgefallen, drei Tage Koma, Maschine aus. Für die Hinterbliebenen schlimm, für ihn ein Segen. Ein Freund auf der Höhe seiner Schaffenskraft innerhalb fünfzehn Minuten abgerufen. Ein anderer lebt noch, ist Mitte 70, hat Parkinson im weit fortgeschrittenen Stadium. Er war sein Leben lang aktiver Sportler, nun hilft ihm auch das leider nichts mehr. Ein Dritter hat im stark dementen Zustand seine Frau mit dem Messer angegriffen, und Sekunden später keine Ahnung mehr davon gehabt. Krankheit hat man nicht im Griff, das ist mir klar. Wenn sie kommt, dann kommt sie. Aber ich habe keine Lust, darauf zu warten bis es soweit ist. Bis dahin möchte ich etwas gestalten und Neues schaffen.