Eine kleine Geschichte zum Nachdenken
Ich fahre oft die Strecke Stuttgart-Köln mit dem ICE und brauche dafür pro Strecke lediglich 2 Stunden und 5 Minuten. Unschlagbar schnell und immer pünktlich (bisher wenigstens). Der ICE nach Köln kostet hin und zurück durchschnittlich 180 Euro. Das ist vielen zu teuer, weshalb sie lieber das Auto nehmen. Lege ich den Verbrauch meines Diesels zugrunde, dann habe ich, bei gleichmäßiger Fahrt, laut Bordcomputer eine Reichweite von 800 Kilometern. Einmal volltanken kostet 80 Euro. Wenn ich Glück hätte würde das für die Distanz hin und zurück grade so reichen. Vielleicht müsste ich noch 20 Euro drauf legen, weil ich mal freie Fahrt hätte und Gas geben könnte. Insgesamt müsste ich also um die 100 Euro Treibstoffkosten investieren, hätte also 80 Euro gespart. Die übliche Milchmädchenrechnung halt.
Vollkostenrechnung
Packe ich aber die Kosten für Versicherung, Steuer, Wiederbeschaffung, Reifen, durchschnittliche Reparaturrechnungen, Leasing oder Finanzierung oder, bei Vollzahlung, entgangene Zinsen mit hinein – vernünftigerweise sollte ich das tun – dann sieht das gleich ganz anders aus. Mein Volvo C30 D5 kostet somit, sagen wir, 30 Cent pro Kilometer ohne Treibstoff. Das macht bei einer Fahrt nach Köln hin und zurück schon 240 Euro aus. Packe ich die 100 Euro Treibstoffkosten noch drauf, kostet mich der Trip 340 Euro. Es bleibt also richtig viel Geld und ein ausladender ökologischer Fußabdruck externer Kosten auf der Straße, der üblicherweise nicht eingerechnet wird.
Wie hoch die ökologischen, also externen, Kosten für die ICE-Fahrt nach Köln sind kann man natürlich ebenfalls ansetzen, denn auch Züge müssen gebaut, Strecken geplant und realisiert, sowie Energie bereit gestellt werden, um die Züge zu betreiben.
Und hier sind wir beim Kernproblem unserer Handlungen: Wir schaffen mit jeder unserer Handlungen komplexe Probleme, die wir vorher nicht hatten. Dazu kann Bazon Brocks Denkerei mit seinem Amt für die Arbeit an unlösbaren Problemen den einen oder anderen brauchbaren Ansatz beitragen.
Die Milchmädchen-Methode (nicht nur) in der Automobilindustrie
Die gesamte Wertschöpfungskette der Autoproduktion kostet immens viel Energie und hinterlässt eine riesige ökologische Delle in unserer Welt. Das Eisenerz für die Stahlherstellung wird, beispielsweise, in Australien gefördert. Das Erz wird von Australien nach China oder Brasilien oder anderswohin zur Stahlproduktion verschifft. Dazu braucht man Schiffe, Verladekräne, Motoren. Der Stahl muss dann zu den Autofabriken, zum Beispiel nach Deutschland, USA oder Japan transportiert werden.
Für die Reifen braucht man Kautschuk aus Malaysia, Thailand oder Indonesien, von wo aus das Rohmaterial wieder mit einem Schiff an den Produktionsort der Reifen gebrachte wird. Das Öl für den Kunststoff für ein Armaturenbrett und andere Einrichtungsgegenstände des Autos muss gesucht, gefördert und transportiert werden. Die Produktion des Kunststoffs verbraucht Ressourcen. Die Formung des Kunststoffs im Autowerk gibt es auch nicht zum ökologischen Nulltarif.
Das Leder war mal ein Tier, meistens ein Rind, das viel Wasser und viel Futter verbraucht hat. Vielleicht wurden sie in Lateinamerika gezüchtet. Zum Gerben sind die Häute vielleicht nach Kanpur, Indien, verschickt worden. Dort wird Leder für den europäischen und amerikanischen Markt gegerbt. Die Lederfabriken verseuchen die Luft, der zum gerben benötigte Chemikaliencocktail das Wasser. Blei muss aus dem Boden geholt und in der Batterie verbaut werden, und so weiter und so fort.
An dem gesamten Prozess sind Menschen beteiligt, die essen, trinken und sich durch Freizeitaktivitäten entspannen müssen. Die Kosten für diese Tätigkeiten sind nicht im Preis für ein Auto enthalten, sollten es aber vom Produktionsziel her sein.
Was lernen wir daraus?
Nichts. Wir fahren eben gerne Auto, cruisen durch die Stadt, durch die Berge, zu Freizeiteinrichtungen, zum einkaufen, fahren Kinder zum Musikunterricht, zum Sport, fahren zum wandern, zum Ski fahren. Wir bauen unsere Häuser zig Kilometer von unseren Arbeitsstätten entfernt, fahren jeden Tag hin und her und lassen uns das vom Staat, also von der Solidargemeinschaft, mit Steuernachlässen teilfinanzieren. Oberflächlich betrachtet funktioniert das System ja ziemlich gut. Wären da nicht die externen Kosten…
Würden wir also nicht die Milchmädchenrechnung der Preistafeln in den Autohäusern zugrunde legen, sondern die tatsächlichen Kosten für die Produktion eines Auto mitfinanzieren müssen – in diesem Fall die Kosten für die ökologischen Dellen – könnte sich die Mehrheit der Menschen gar kein Auto leisten. Ganz sicher würde es mit den Kosten für die Zugfahrt nach Köln genauso aussehen.
Es geht also nicht um die Kosten im Autohaus oder um die Kosten für ein Ticket mit dem ICE. Entscheidend sind die ökologischen Kosten, deren Bewältigung die Gesellschaft tragen muss.