Erst kürzlich habe ich über tägliche Führung geschrieben und euch eine kleine Geschichte über meinen Mitarbeiterbus erzählt. Heute wollte ich mal so richtig stolz auf meine Mädels sein, und es wäre ein fast perfekter Tag geworden. Da passierte es wieder: der Rückfall auf “Friseurstübchen-Emmi-Niveau”. Die Verursacher darauf angesprochen hörte ich: “Ich dachte…” – nein, denk nicht, halte Dich an die Standards! “Ich wollte eigentlich…” – aha, eigentlich doch nichts gedacht. “XYZ hat gesagt…” – wenn zwei denselben Fehler machen ist es immer noch falsch.
Das Loch im Eimer
Ich bin fassungslos, dass ich immer wieder Löcher im Fundament finde, die ich schon längst ausgemerzt glaubte. Meist ist das Unachtsamkeit, Unaufmerksamkeit und auch einTeil Gleichgültigkeit der Ausführenden, zwar nicht bösartig, aber doch vorhanden. Die intensive Auseinandersetzung mit täglicher Führung führt mich Level für Level viel tiefer als ich angenommen hatte. Ich lande immer bei den Unternehmensstandards, deren Schulung und konsequenter Kontrolle. Kontrolle hört sich nach Einschränkung an, und ja, in diesem Fall SOLL es auch eine Einschränkung sein, denn letztlich möchte ich UNSER Unternehmen repräsentieren und nicht die INTERPRETATION unseres Unternehmens durch jeden einzelnen Mitarbeiter.
Es ist durchaus meine Ansicht, dass Führung die Individualität der einzelnen Person berücksichtigt. Aber mein Unternehmen soll keine individuellen Mini-Friseurunternehmen innerhalb des Unternehmens züchten und betreuen, sondern durch Unternehmensstandards eine gleichbleibend hohe Leistung aller Mitarbeiter im Sinne meiner Werte und Unternehmensziele gewährleisten. Innerhalb dieser Standards kann sich jeder Mitarbeiter ausleben. Aber die Standards selbst sind nicht diskutierbar, bei aller Liebe zur Individualität.
Als Führungskraft bin ich in einer seltsamen Zwitterstellung. Zum Einen möchte ich, dass meine Werte im Unternehmen sicht- und spürbar sind, und dass meine Ziele erreicht werden. Zum Anderen mag ich übertriebene Kontrolle nicht, lerne aber Tag für Tag, dass es ohne aktives Beobachten der täglichen Abläufe nicht geht. Wenn das schon Kontrolle ist, tja, dann muss sie wohl sein. Woher kommen die Probleme? Her ein üblicher Ablauf nach Aufnahme eines Fehlers: Statt den betreffenden Mitarbeiter sofort anzusprechen und eine sofortige persönliche Stellungnahme zu dem Fehler zu vermeiden sage ich erst mal nichts, und beruhige mich damit, dass der Zeitpunkt für ein Gespräch momentan ungünstig ist. Ich nehme mir vor, den Sachverhalt bei der nächsten günstigen Gelegenheit – die in der Regel nicht kommt – anzusprechen und die damit zusammenhängenden Probleme ein für alle Male auszuräumen. Auch wenn es zu einem Gespräch kommt funktioniert der ein-für-alle-Mal-klären-Ansatz nicht, weil nur der stete Tropfen den Stein höhlt. Die Pfade müssen im Gehirn meiner Mitarbeiter erst angelegt werden, und dann muss ich dafür sorgen, dass aus einem Trampelpfad eine Autobahn wird. Bekomme ich das in meiner täglichen Führungsarbeit nicht hin, lasse ich mir meinen Führungsanspruch schon aus der Hand nehmen.
Wie immer man es bezeichnet: Persönliche Stellungnahme ist Konfrontation mit dem Verhalten eines anderen Menschen. Wenn ich hier nicht schnell und konsequent die Sachverhalte anspreche und die Probleme nicht löse, kochen ganz schnell Emotionen hoch, die zu schlimmen Verstimmungen in mir selber und mit den Mitarbeitern führen können. Der Spalt zwischen meiner Vorstellung und der Realität im Unternehmen ist mein persönliches Problem, dafür kann kein Mitarbeiter etwas. Besteht dieser Spalt sind entweder meine Vorstellungen nicht realistisch, oder ich kommuniziere inkonsequent. Die zusätzliche Krux an einer Vorstellung ist es, dass mein Mitarbeiter die Sachlage völlig anders einschätzt als ich, dass es für ihn oder sie in der betreffenden Sache überhaupt kein Problem gibt. Und sind wir ehrlich: wenn ich nicht lückenlos erklären will oder kann was ich will, wie soll er begreifen, dass ich ein Problem mir seinem Verhalten habe?
Und wieder ist es die tägliche Führung, das ständige anpassen an die Werte und Ziele des Unternehmens. Es ist einfach, eine Philosophie aufzuschreiben, aber ungleich schwerer, sie Tag für Tag aufrecht zu halten.