Corona Dauer-Welle - Peter Gress

Corona Dauer-Welle

Nicht, dass wir uns falsch verstehen, bei der Corona Dauer-Welle geht nicht um die Friseur-Dienstleistung. Es geht vielmehr um die permanente Anwesenheit des Corona-Virus. Das geht nicht weg, nur weil viele von uns sich so verhalten, als wäre es gar nicht mehr da.

Der Lockdown und die Kosten

Friseure haben nun drei Monate wieder geöffnet. Im Mai war der Umsatz bei uns super, im Juni wie im Vorjahr und im Juli zehn Prozent schlechter als 2019. Der während des Lockdowns entstandene Schaden bei Gress Friseure beträgt summa summarum rund 100.000 Euro. Das Geld fehlt entweder bei der Rücklage oder es muss finanziert werden. Diese Entscheidung ist abhängig vom weiteren Verlauf der Pandemie. Und, das brauche ich keinem Unternehmer erzählen, das ist ein Eiertanz par excellence. Vorrangig bleibt das wichtigste Ziel derzeit die Sicherung der Liquidität.

Ich glaube zwar nicht an einen bundesweiten Lockdown, im lokalen oder regionalen Bereich kann es aber durchaus dazu kommen. Ein uns bekannter Gastronom hatte erst Ende Juli einen Coronafall in seiner Belegschaft. Er musste zumachen bis klar war, ob andere Mitarbeiter infiziert waren. Das war zwar nur eine knappe Woche, aber auch eine knappe Woche kostet Geld und Vertrauen.

Mitarbeiter nach Urlaub freiwillig zum Test

Deshalb haben wir uns entschieden, dass wir allen Mitarbeitern die aus dem Urlaub zurück kommen, einen Test bezahlen. Den kann man in Stuttgart im Medical Center auf dem Flughafen machen lassen und bekommt innerhalb 1-3 Stunden das Ergebnis. Diese 170 Euro pro Test sind eine gute Investition, wenn sie dabei helfen, dass der Betrieb offen bleibt.

Wir bezahlen den Test für jeden Mitarbeiter, egal, ob sie im In-oder Ausland waren. Wer in Länder mit Reisewarnung (bitte täglich auf Vollständigkeit prüfen) fährt muss bei der Rückkehr eh in Quarantäne. Gemessen an dem Schaden der entstehen würde, wenn wir unser Geschäft schließen müssten, fallen die Beträge für die Tests kaum ins Gewicht. Das ist der wirtschaftliche Aspekt. Über den Imageschaden eines Lockdowns, sei er auch nur zeitlich kurz bemessen, möchte ich gar nicht nachdenken.

COVID-19 bleibt

Eine Zeit nach Corona wird es nicht geben. Es wird eine Zeit mit Corona sein. Wie die aussieht und was das für uns bedeutet, ist davon abhängig, ob und wann es entweder einen Impfstoff zur Prävention oder ein Medikament zur Heilung gibt. Eine Testreihe mit 30.000 Probanden ist angelaufen, wir dürfen alle gespannt sein, wie sie verläuft.

Corona-Überblick

In den letzten 20 Jahren hatten wir weltweite Pandemien mit SARS, Vogelgrippe, Schweinegrippe, diversen Grippewellen und nun eben mit COVID-19. Zicka, Dengue, Cholera, Pest waren lokal ausgebrochen, aber weit genug von uns entfernt, um uns keine Angst zu machen. Jetzt haben wir COVID-19 am Hals und damit gleich eine richtige Packung Probleme abbekommen.

Realität akzeptieren

In Depression und Angst zu versinken ist genausowenig eine Option wie das Leugnen des Virus. Die Menschen haben schon immer mit Krankheiten gelebt. Die haben sie nicht abgehalten, auch Spaß zu haben. Ich finde es extrem befremdlich, dass viele Menschen jemanden brauchen, den sie für ihre persönliche Einschränkung verantwortlich machen können. Corona ist nicht schön, aber wir könnten es viel schlechter haben.

Friseure stellen sich ein

Das Schönheitsgeschäft wird sich verändern. Schönheit brauchen die Menschen zwar immer, aber so uneingeschränkt individuell und hedonistsich wie vor Corona wird die persönliche Präsentation auf absehbare Zeit unmöglich sein. Ich kann das auch von mir selber sagen: Warum soll ich mir neue Klamotten kaufen wenn ich sie nirgends präsentieren kann? Dadurch wird auch die Lust auf neue Haare geschmälert. Der finanzielle Faktor spielt dabei natürlich auch noch hinein. Fast 7 Millionen Kurzarbeiter und eine steigende Anzahl von Arbeitslosen sprechen eine deutliche Sprache.

In den kommenden Monaten wird es darum gehen, den Kunden verstärkt ein noch besseres Willkommensgefühl in unseren Geschäften zu verschaffen. Wir sehen gegenseitig unsere Gesichter nicht, wir können Kunden nicht mit Handschlag begrüßen, wir dürfen ihnen den Mantel oder die Jacke nicht abnehmen. All die eingeübten Rituale bei der Begrüßung und der Verabschiedung werden durch neue Rituale ersetzt. Es sind nicht die, die wir gelernt haben. Was soll’s!? Dann wird es eben andere geben, das sehe ich nicht als großes Problem an. Aber wir müssen diese Rituale gezielt entwickeln.

Nicht-Performer werden entlarvt

Durch das tragen der Masken werden die Nicht-Performer entlarvt. Falsches Lachen lenkt nicht von den Augen ab. Die Ausstrahlung des Dienstleisters wird gefühlt, und aufgesetztes Gehabe wird entlarvt. Wahre Menschlichkeit wird auch mit der Maske transportiert. Ich bin durch die Maske auf Menschen aufmerksam im meinem Umfeld geworden, die ich vorher gar nicht auf dem Schirm hatte. Mit den Masken menschelt es, die Körpersprache wird plötzlich zum ausschlaggebenden Impuls. Das ist eine der positiven Erfahrungen im Umgang mit anderen Menschen in COVID-19 Zeiten.

Ausbildung trotz Corona

Wir haben trotz Unsicherheit zwei neue Auszubildende eingestellt. Eine Unterbrechung der Ausbildungsaktivität kommt auf keinen Fall infrage. Und wenn, dann nur, wenn gar kein Geld mehr da ist. Und danach sieht es derzeit Gottseidank nicht aus. Nachwuchs auszubilden ist grade in der Pandemie das Gebot der Stunde. Wo sonst sollen gute Fachkräfte herkommen? Die Vorsorge ist wichtig, denn neue Mitarbeiter sind nie da wenn man sie dringend braucht. Außer, man zieht sie selber durch Ausbildung.

Steigende Fallzahlen – wen wundert’s?

Je mehr wir das Virus als reale Gefahr akzeptieren, desto selbstverständlicher fügen wir die Masken in unsere täglichen Rituale ein. Steigende Fallzahlen erschrecken uns, keine Frage. Aber wen wundert’s? Es ist ja klar, dass die Zahlen dort steigen, wo Menschen geballt zusammenkommen. Ob Schwarzwald, Allgäu, Barcelona oder Gardasee – von überall her werden Menschen dasVirus mitbringen. Sollen wir deshalb nicht in Urlaub fahren, wird mir des öfteren entgegengehalten? Doch, schon, das können wir machen, aber dann dürfen wir uns halt nicht wundern, wenn die Infektionen steigen. Freizügigkeit wird vom Virus sofort bestraft.

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3 Kommentare
Schmidt says 2. August 2020

Danke Peter Gress für diesen overview!
Knallharte Wahrheit . C19 bleibt uns eine Weile erhalten.
Das ist eine wegweisende Erinnerung für das Verständnis .
C19-Dauer-Welle

©️

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Petra Vicari says 7. August 2020

Hallo.
Wahre Worte und leider die Realität.
Klar müssen wir nach vorne schauen und immer schön optimistisch bleiben, machen wir Friseure eh immer………..
Aber es ist trotzdem ganz schön schwer ( trotz momentan noch guter Umsätze)daran zu glauben das mit den für uns vorhandenen Maßnahmen ein positives Gesamtergebnis dabei raus kommt.
Und da meine ich nicht nur Umsätze, sondern auch die Entwicklung der Menschen, denn die sind ja unsere Kunden u d auch Mitarbeiter…………..

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    petergress says 8. August 2020

    Guten Morgen,

    die geschäftliche Entwicklung lässt sich momentan nicht absehen. Die wirtschaftliche Situation belastet alle, speziell die Kleinunternehmer. Alleine in der Esslinger Fußgängerzone gibt es zurzeit 11 leer stehende Ladenlokale, davon 8 Langzeit-Leerstände. Im Gefolge dieser Situation poppen Nagelstudios, 1,10 Euro Shops, Wettbüros, Tattoo-Studios und weitere übliche Verdächtige auf, die die Qualität des Gesamtangebots nach unten ziehen. 2 Großprojekte werden und werden nicht umgesetzt, die schwelen zwar schon ein mehr als vier Jahre, aber jetzt geht gar nichts mehr. Das alles tut auch den Menschen in der Stadt nicht gut.Die Menschen fühlen Stagnation. Zwar ist die Kurzarbeit im Juli um 1,7 Mio zurück gegangen, aber wer weiß, ob sie nicht wieder steigt? Viele unserer Kunden haben Sorgen, dass sie ihren Job verlieren, das kommt zur unsicheren gesundheitlichen Situation noch hinzu. Was vor Corona noch mit Konsum wegberuhigt wurde, muss nun ausgehalten werden.

    Unsere Mitarbeiter und Kunden sind (noch) optimistisch, aber je länger die Situation andauert, desto stärker werden die Spuren. Corona nagt an allen und allem. Es ist so ein Zwischending – Hoffnung, dass es bald vorbei sein könnte, auf der einen Seite, Frust, weil kein Ende absehbar ist, auf der anderen Seite. Ich glaube, wir müssen die Situation fatalistischer sehen und uns mehr aufs Aushalten einstellen. Das muss nicht notwendigerweise schlecht sein, wir sind es nur nicht mehr gewöhnt, derartig massive Unsicherheit auszuhalten. Mir persönlich geht es besser, wenn ich meine wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ansprüche tiefer hänge und den Umständen anpasse. Das spart zum Einen Energie, zum Anderen muss kann ich unbeschwerter nachdenken und mich und mein Unternehmen neu ausrichten, auf das was kommen könnte. Und es schützt mich vorm jammern und wehklagen.

    Meine Hoffnung liegt auf einem Impfstoff zur Vorbeugung oder ein Medikament zur Heilung. Wenn weder das Eine noch das Andere kommt wird es die Zeit richten. Wenn wir uns nicht selber verlieren wollen, sollten wir uns nicht mit dem Verlust beschäftigen, sondern mit dem, was wir für uns selber noch erwarten können. Wenn wir das ernsthaft tun, sind wir auch Vorbild für unsere Mitarbeiter und Kunden. Das ist doch was!

    Herzlichst
    Peter Gress

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