Lernen lernen - Ein kurzer Einblick, wie Wissen im Gehirn verankert wird
Peter Gres Podcast Quickies

016 – Lernen lernen

Heute geht es um das Thema Mindest zum lebenslangen Lernen.

Das erste was du braucht ist ein Impuls. Der kann – vielleicht – aus der Schule kommen, wenn Lehrer es verstehen, bei den Kindern die Lust am lernen zu entfachen. Es kann aber auch später zu Initialzündungen kommen. Lasst mich das an meinem persönlichen Beispiel erklären.

Lernen in der Schule

In der Schule gehörte ich zu den vermeintlichen Schulversagern. Dabei hatte ich lediglich eine Abneigung gegen Frontalunterricht und die Art, wie manche Lehrer diesen gestaltet hatten. Es waren noch einige dabei, die die dunkle Zeit in Deutschland mitgemacht hatten und in ihrer Wissensvermittlung entsprechend ausgerichtet waren.

Stärken werden nicht gestärkt

Das erste Jahr meiner Ausbildungszeit hat auch nicht geholfen, im Betrieb und der Berufsschule herrschten ähnliche Zustände und Regeln. Kaum jemand  hat sich um meine Stärken gekümmert, es ging fast ausschließlich darum, was ich nicht konnte. Auf Dauer tötet das die Motivation. Im staatlichen Schulsystem ist das heute leider immer noch so.

Impuls zum lernen

1974, ein Jahr nach der Schulzeit und am Ende meines ersten Ausbildungsjahres erhielt ich einen wichtigen Impuls. Ein schmales Büchlein war es, das für  mich die Wende brachte. Prof. Dr. Frederic Vesters Begleitbuch zur Fernsehsendung „Denken, lernen, vergessen“ war eine Initialzündung.

Hierin habe ich zum ersten Mal gelesen, dass lernen eine individuelle Sache ist. Dass es einen biochemischen Ablauf gibt, der dafür sorgt, dass das Gehirn Wissen speichert. Zum ersten mal habe ich erfahren, dass ich lernen lernen kann.

Seitdem läuft’s. Lernen ist abhängig von der Motivation, dem Thema und auch von  Lerntechnik. Lernen lernen ist der wichtigste Ansatz, den wir unbedingt auch in der Ausbildung unserer Azubis berücksichtigen müssen.

Bildhaftes lernen

Das Gehirn lernt am besten durch Bilder. Wenn ich beispielsweise einen Vortrag vorbereite, male ich mir mit einem Stift die Struktur des Vortrags auf. Dazu bevorzuge ich verschiedene Farben, weil ich die Highlights abheben will.

Manchmal sieht das aus wie eine Mindmap, ein anderes mal sind es nur Bullets, aus deren Anfangsbuchstaben ich ein Wort bilde. Das Bild und / oder das Wort bleiben mir im Gedächtnis.

Mit der Struktur in der Hand stelle ich mich vor den Spiegel und spreche einen zunächst wilden Text. Das ist wie Gold waschen. Viele Kiesel beinhalten einige Goldstücke. Sobald ich diese Punkte und damit einen roten Fadens habe, bringe ich die Stichworte zu Papier und skizziere Quellen drum herum.

Dieser Rohtext ist dann die Basis für meine Keynote. Und die wiederum führt mich zur endgültigen Ordnung der Highlights. Im übertragenen Sinne male ich mir ein Bild, dessen Szenen ich abrufen kann. Und eines habe ich im Laufe vieler Jahre gelernt: Das Gehirn lernt immer über Bilder. Schaffe Bilder und du lernst besser.

Lernen wollen

Lernen setzt Interesse voraus. Wenn mich etwas nicht interessiert kann ich es nicht lernen. Wenn mich aber jemand mit Leidenschaft von einem Thema überzeugen kann, ist die Chance groß, dass ich Interesse entwickle. Motivatorische Impulse sind deshalb wichtig. Aus diesem Grund scheitern auch so viele Kinder in der Schule.

Die Schule steckt noch immer viel zu tief im „Stopfen-Modus“ als in der Wissensvermittlung für das digitalen Zeitalter. Das meiste dessen, was die Schule in die Kinderköpfe stopft vergessen sie wieder, weil vieles keinen Bezug zu ihrer Lebensrealität hat.

Im digitalen Zeitalter ist alles Wissen ständig sowieso imm er und überall verfügbar. Es wäre sinnvoller, Kindern und auch Erwachsenen beizubringen, wo sie welche Informationen finden und wie man die Quellen prüft. Das fachliche Detailwissen holt man sich wann man es braucht.

Neuroplastizität

Je plastischer der Pfad ist, desto besser kann ich ihn memorieren. Die Wissenschaft glaubte lange daran, dass dem Menschen von Geburt an eine begrenzte Anzahl von Gehirnzellen mitgegeben wurde. Heute weiß man, dass sich das Gehirn durch seine Neuroplastizität anpassen kann.

Daraus resultiert: Das Gehirn lernt immer. Es kann nicht anders. Das ist die positive Nachricht. Viele aus dem Berufsleben ausgeschiedene Menschen beginnen im Alter noch erfolgreich zu studieren. Das Gehirn selber wird keinen Menschen daran hindern, Wissen aufzunehmen. Das machen die Menschen selber.

Lernen bringt Veränderung

Für mich ist es eine sehr beruhigende Wahrheit, dass ich ständig neues lernen kann, wenn ich das will. Vielen Menschen macht Veränderung aber Angst. Sie wollen, dass alles so bleibt wie sie es kennen. Jede Änderung ist erst einmal schlecht.

Je schneller die Welt sich dreht, desto größer ist die Angst vor Veränderung. Lernen und daraus resultierende Übersicht und in Erweiterung dann Einsicht kommt bei vielen nicht vor. Wenn alles so bleiben soll wie es ist mache ich mir natürlich auch keine Gedanken darüber, wie etwas sein könnte wenn ich es anders denke.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als die Autoindustrie den Sicherheitsgurt eingeführt hat. Jeder war dagegen, obwohl nachgewiesen war, dass der Gurt Leben rettet. Heute ist er selbstverständlich.

Dasselbe Theater beim Katalysator. Die Zusammenbruch der westlichen Welt wurde bei seiner Einführung befürchtet, und das alles nur wegen diffusen Ängsten. Heute ist es der Elektroantrieb und morgen wieder etwas anderes Neues.

Ein weiteres gutes Beispiel ist auch das Stuttgarter Wahrzeichen – der Fernsehturm. Er wurde am 5.Februar 1956 eröffnet. Viele Stuttgarter beschimpften ihn als Bohnenstange mit Bienenkorb, als Schandmal und als Fremdkörper in der Waldlandschaft und keiner wollte ihn haben. Heute können die Stuttgarter nicht mehr ohne ihn.

Tiefgreifende Änderungen und neue Ideen bergen immer auch Konfliktpotential.

Wissensgesellschaft braucht neue Ansätze

Viele Denker haben ab den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts einen radikalen Wandel innerhalb der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ordnung hin zur Wissensgesellschaft voraus gesagt. Sie haben ihn als mindestens so tiefgreifend beschrieben wie den Wechsel von der Agrar- zur Industriegesellschaft. 

Die alten Geschäftsmodelle des Industriezeitalters funktionieren heute nicht mehr. Henry Ford sagte bei der Einführung seines Fließbands:“ Jedes Mal wenn ich zwei Hände brauche, bekomme ich leider einen Kopf dazu.“ Im Industriezeitalter waren denkende Köpfe  eher hinderlich. Manche Unternehmer und Politiker sehen das heute leider immer noch so.

Wissensarbeiter wollen ihr Leben selbstverwaltet gestalten, sie wollen lernen und sich verwirklichen. Für die meisten top ausgebildeten Jungen ist lebenslanges Lernen selbstverständlich. Der Takt der Veränderung ist in heutiger Zeit sehr schnell geworden.

Schaut euch mal Filme aus den 50er, 60er und 70er Jahren an. Die Schnitte waren lang, man wähnte sich auf einem langsam dahin fließenden Strom. Heute sind Filme wie wilde Bergbäche geschnitten. Auch die Wissensgesellschaft unterliegt einem rasend schnellen Takt.  Wenn dir schwindlig wird, fliegst du raus.

Verweigerung hilft nicht

Verweigerung, schützt dabei nicht, sondern nur Akzeptanz und Anpassung. Das Gehirn kann das, viele Menschen nicht. Aber es liegt eben nicht an der Konstruktion des Gehirns selber, sondern am Wollen der Besitzer. Die Bewahrer sind das eigentliche Hindernis der Wissensgesellschaft. Wir hatten in einem Pub in Südengland ein interessantes Gespräch mit einem Unternehmer und seiner Frau aus Exeter. Im Verlauf des Gesprächs sagte die Frau einen Satz, der bei mir immer noch nachklingt: „Tradition is killing us.“

Das limbische System

Unsere archaischer Code ändert sich nur langsam. Das limbisches System dient der Verarbeitung von Emotionen und steuert das Triebverhalten. Alle lebenssichernden Verhaltensweisen aus der Zeit unserer Aufrichtung sind dort gespeichert. Wir sind keine rationalen Wesen, sondern emotionale.

Wir glauben zwar, dass wir rational entscheiden, aber  bis wir diese rationale Ebene erreichen haben die Emotionen schon entschieden. Das limbische System entscheidet natürlich nicht abgekoppelt von den anderen Gehirnregionen, es ist immer ein Zusammenspiel aller Bereiche.

Je emotionaler und bildlicher jedoch wir einen Lernstoff aufbereiten, desto besser setzt er sich fest. Viele Schauspieler lernen ihren Text in Bewegung, sie schaffen durch Gesten eine emotionale Verbindung zu den Worten. Worte und Bewegung gehen eine Symbiose ein. Das funktioniert bei allen Menschen.

Nehmen wir das Beispiel Stuhl. Niemand denkt an das Wort Stuhl, sondern hat immer ein Bild eines Stuhl vor dem inneren Auge. Der Stuhl sieht für jeden anderes aus, das Bild ist individuell. Mnemotechniken helfen uns Sprachen zu lernen, neue Techniken  oder Verhaltensweisen. Es kommt auf die neuronalen Verknüpfungen an, und je mehr Synapsen getriggert werden, desto mehr Halt bekommt neues Wissen. Im  Grunde genommen geht es also darum, so viele Haltegriffe wie möglich zu schaffen, damit sich neues Wissen dauerhaft festsetzen kann.

Spielerischer Lern-Ansatz

Wir sollten mehr darauf schauen, wie lernen biochemisch funktioniert. Aus diesem Wissen lassen sich alternative Lernkonzept entwickeln. Es wäre ein großer  und wichtiger Schritt, wenn die Lehrer den Kindern beibringen würden, wie lernen generell funktioniert. Der spielerische Ansatz in den Grundschulklassen ist schon ein guter Ansatz, schade, dass dieser Effekt im Lauf der folgenden Jahre sukzessive dem „Wissen stopfen“ geopfert wird.

Jeder Mensch kann unabhängig seines Alters immer weiter lernen. Ich stehe für lebenslanges lernen und ständige persönliche Weiterentwicklung. Diesen Ansatz möchten ich in der Erwachsenenbildung zukünftig verstärkt unterstützen.

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